Bedauerlicherweise ist es in dieser Gesellschaft wohl unmöglich, dies alles vollständig zu kennen und somit zu vermeiden, so wie es in einer Sklavenhaltergesellschaft unmöglich ist, alle aus Sklavenarbeit stammenden Produkte zu vermeiden - selbst Leitungswasser wird ständig tierversuchsgetestet. Dies kann jedoch in keinem Fall eine Entschuldigung sein, aus Bequemlichkeit, Gleichgültigkeit usw. nicht alles zu versuchen, sich umfassend zu informieren und solche Produkte, die Tierprodukte enthalten können, konsequent abzulehnen, da deren Konsum ebenso zu Tierquälerei und Tötung beiträgt wie der Verzehr offen als solche erkennbarer Tierprodukte. Die Existenz unvermeidbaren Leids rechtfertigt es nicht, Leid in vermeidbaren Fällen zuzulassen oder zu verursachen.
Kaum jemand kann alle konsumierten Produkte selbst überprüfen. Und so verkaufen seit einigen Jahren Läden und Versandgeschäfte (im folgenden kurz Veganhandel) vegane Produkte. Wer dort einkauft, bezahlt nicht nur das Produkt selbst - Sojakäse, Schokolade oder Schuhe -, sondern auch die Gewißheit, daß es "100% sicher [ist], daß sich darin keine tierlichen Inhaltsstoffe befinden" (so das Verkaufsversprechen). Oft jedoch ein leeres Versprechen.
Nicht immer müssen in Zutatenlisten alle Zutaten angegeben werden. Stoffe, die bei der Herstellung verwendet werden, im Endprodukt jedoch nicht mehr vorhanden sind oder bis auf eine technologisch unvermeidbare Rückstandsmenge entfernt wurden, gelten nicht als Zutat und müssen demnach auch nicht aufgeführt werden. Bei zusammengesetzten Zutaten ist eine Aufzählung der Komponenten nur vorgeschrieben, wenn sie mehr als ein Viertel des gesamten Produkts ausmachen. Viele Stoffe, die teilweise tierlichen Ursprungs sein können, gelten laut Gesetz nicht als Zusatzstoffe.
Die Tierrechtsinitiative Maqi hat bei den Herstellern nachgefragt, also das getan, was eigentlich Sache derjenigen wäre, die Produkte als vegan verkaufen. Wie sich gezeigt hat, sind sie anscheinend nicht bereit, sich diese Mühe zu machen.
Einige Beispiele, die zeigen, daß es durchaus möglich ist, von den Herstellern entsprechende Angaben zu erhalten: Alsan-Margarine, Sojaki, Bruno-Fischer-Mayonnaise und Hobnob-Kekse.
Laut Zutatenliste enthielt die Margarine "Alsan-S" unter anderem E471 und E472c, natürliches Aroma und Vitamin D. E471 sind Mono- und Diglyceride von Speisefettsäuren, E472c ebenfalls, verestert mit Zitronensäure, beides kann tierlichen Ursprungs sein, ebenso das "natürliche Aroma" und Vitamin D. Fast alles, so die Auskunft des Alsan-Werks, sei vegan. "Eine Ausnahme bildet das Vitamin D[, das] einen Anteil an Lanolin enthält, welches aus dem Wollwachs von Schafen gewonnen wird. Sollte jemand in seiner Argumentation so weit gehen, daß er den Verzehr solch eines Produkts nicht verantworten könnte, sehen wir momentan keine Möglichkeit[,] dies in dem von uns hergestellten Produkt zu veränden."
Die "schriftliche, rechtsverbindliche Erklärung" der Firmen, die einige Veganläden angeblich haben, liegt uns trotz mehrfacher telefonischer Nachfrage nicht vor. Als in der Zeitschrift "Schrot und Korn" Alsan ebenfalls als vegan bezeichnete wurde und dies in einer folgenden Ausgabe aufgrund unserer Intervention richtiggestellt wurde, wurde daraufhin in einem Leserbrief behauptet, es gäbe die Möglichkeit "bei der Firma Alsan bei einer gewissen Abnahmemenge auch vegane Alsan-S zu beziehen." Wie glaubwürdig die Vorstellung ist, das Werk würde die Maschinen anhalten, reinigen und dann ein paar Dutzend spezieller Packungen ohne Vitamin D herstellen, wie in einem Fax des Alsan-Werks speziell für die Marge vom November behauptet ("hiermit bestätigen wir Ihnen, daß die von uns am 17.11.97 speziell für Sie [H&B Warenvertrieb] hergestellte ALSAN-S mit MHD 10.02.98 ohne die deklarierte Vitaminmischung produziert worden ist."), mag jede selbst beurteilen. In jedem Fall läßt dies keine Rückschlüsse auf frühere Auslieferungen zu und widerspricht der eigenen Aussage des Alsan-Werks vom September 1997.
Inzwischen, so das Alsan-Werk, wird Alsan ohne das Vitamin D hergestellt. Es geht also durchaus - vorausgesetzt, jemand klopft ihnen auf die Finger.
Zu Sojaki heißt es in Vegan-Katalogen: "100% pflanzliche Sojafrischcreme mit Milchsäurekulturen [...] entspricht Bakterienkulturen, vgl. selbe Kulturen wie in Sauerkraut." So wird versucht, den Eindruck zu vermitteln, bei den hier verwendeten Kulturen handle es sich - wie bei den tatsächlich veganen in Sauerkraut - um pflanzliche. Dann ist auch das Schweinekotelett beim Metzger um die Ecke vegan - die darin vorhandenen essentiellen Aminosäuren sind die gleichen wie die in Tofu. Der Hersteller schrieb dazu jedoch: "Die Milchsäurekulturen für unseren Sojaki sind laut Angaben unseres Lieferanten ursprünglich auf Kuhmilch gezüchtet worden. Von diesen sind allerdings nicht einmal Spuren in den Kulturen nachweisbar." Selbst wenn die tierlichen Stoffe zum Teil nur in homöopathischen Dosen, die durch Untersuchungen von Lebensmittellabors nicht mehr nachgewiesen werden können, vorhanden sind ("ein Zusatz von tierischen Fetten ist also nicht nachweisbar", so auch das Ergebnis der lebensmitteltechnischen Untersuchung einer Probe der Alsan-Margarine vom 17.10.98) - in tierversuchsgetesteten Produkten ist kein einziges Molekül einer gequälten Ratte vorhanden. Vegan sind sie dennoch nicht. Obwohl dies bereits bekannt war, wurde Sojaki dennoch weiterhin als vegan verkauft.
Die Bruno Fischer-Kräutermayonnaise enthält laut Zutatenliste Gewürzgurken - nicht angegeben ist, daß (wie die Produktionsabteilung auf Nachfrage bestätigte) diese in einer honighaltigen Lake eingelegt waren. (Die Bezeichnung "vegan" auf dem Etikett wurde inzwischen vom Hersteller entfernt.)
Die Schokoladenkekse McVitie's Plain Chocolate Hobnobs - genauer die auf dem Etikett als Schokolade ("plain chocolate") aufgeführte Zutat - enthalten laut Nahrungsmittelunverträglichkeitstabelle, die der Hersteller auf Anfrage zusandte, "butter oil in plain chocolate", ein Milchprodukt, und daher erklärt Cathy Stockwell von United Biscuits richtig: "Unfortunately this product is not vegan and should not be sold as such."
Weiterhin wurde unverpacktes Brot mit honighaltigem Backferment als vegan verkauft.
Folgende Tabelle faßt dies zusammen.
Produkt | nicht vegan wegen Verwendung von |
---|---|
Alsan | Lanolin aus Wollfett im Vitamin D |
Brot | honighaltiges Backferment |
Hobnobs | Milchbestandteile in der Schokolade |
Mayonnaise | Honig in Gurkenlake |
Sojaki | Milchsäurebakterien aus Kuhmilch |
Neben diesen Produkten, die inzwischen als definitiv nicht vegan nachgewiesen wurden, gibt es solche, die fragwürdig sind und einer Überprüfung bedürften. Daß diese vom Veganhandel in hinreichendem Umfang durchgeführt wurden, ist in anbetracht obiger Beispiele zu bezweifeln. Dazu zählen u.a. Schlagsahne (die raffinierten Zucker enthält - beim Raffinieren kann Tierkohle als Entfärber eingesetzt werden), Weine (die meist mit Gelatine oder Hausenblase, der Schwimmblase von Stören, oder Eialbumin geklärt wurden), ebenso zahlreiche andere Produkte, die Zucker, Weinessig, nicht näher spezifizierte Aromen, Schokolade, Margarine, Paniermehl usw. enthalten.
Entsprechendes gilt auch für Produkte aus dem koventionellen Handel, die viele für vegan halten, beispielsweise Mon Chérie - auf der Verpackung fehlt jegliche Zutatenliste -, einige Sorten Ritter Sport (z.B. Marzipan) oder After Eight. After Eight, das zeigt ein Blick auf die Zutatenlisten für andere Länder, für die abweichende Deklarationspflichten gelten, enthält Butterfett. Ritter antwortet nicht - beredtes Schweigen. Ferrero gibt an, "keine Bestandteile vom toten Tier" zu verwenden, jedoch in einigen Produkten (ohne ausreichende nähere Angaben) Milch, Honig und Ei-Eiweiß. Das Antwortschreiben schließt: "Ihre weiteren Fragen sind jedoch so dezidiert, daß wir um Verständnis dafür bitten, daß wir sie nicht beantworten können. Es entspricht auch nicht unserer Geschäftspolitik, unsere Lieferanten zu benennen. Ihre Einstellung, die wir selbstverständlich akzeptieren, wird generell wohl aber dazu führen, daß Sie zu Süßwaren als Genußmittel ohnehin wenig Zugang haben." Ein Kommentar erübrigt sich.
Wer Produkte als vegan verkauft, sollte diese zumindest überprüfen - ein flüchtiger Blick auf die Zutatenliste genügt keinesfalls. Wer sich aus gesundheitlichen Gründen vegan ernährt, mag darüber hinwegsehen (wenn auch die Milch in Hobnobs, die Gelatine und die Hausenblase in Wein in so großen Mengen vorhanden sind, daß sie allergen wirken können), wer jedoch vorgibt, sich für Tierrechte einzusetzen und wissentlich solche Produkte konsumiert, ist nicht anders als die schwäbischen Mönche, die mit religionstypischer Scheinheiligkeit Hackfleisch mit Petersilie umfärbten und in Nudelteig verpackten.
Nachtrag: Durchsicht der Versandkataloge einiger neuerer Veganläden ergaben keine mit Sicherheit nichtveganen Produkte, lediglich einige bedenkliche, möglicherweise vegane Inhaltsstoffe.
Auszüge aus diesem Flugblatt erschienen unter dem Titel "Wirklich vegan?" im Tierrechtsmagazin Voice Nr. 14, Juli 1998. Das Thema wurde im Editorial und einem Leitartikel der Tierbefreiung aktuell Nr. 22, September 1998 aufgegriffen. Wenigstens ein Veganladen nahm nach Erscheinen des Artikels in der Voice Sojaki aus dem Programm. Ein anderer teilte besorgten Kunden dagegen offenbar am Telefon mit, dies seien Gerüchte, die von einer einzelnen Person ausgingen, die dies alles nicht beweisen könne. Davon abgesehen, daß die Frage der Glaubwürdigkeit eher zu Gunsten einer unabhängigen Tierrechtsinitiative und zu Ungunsten eines Veganhändlers, der in erster Linie seine kommerziellen Interessen vertritt und bereits mehrfach objektiv die Unwahrheit gesagt hat, entschieden werden könnte, lagen der Voice selbstverständlich Kopien der oben zitierten Herstellerschreiben vor.
Näheres hierzu ist in "Der Veganhandel und das Maultaschensyndrom" dokumentiert.
Autor: | Achim Stößer |
WWW: | http://maqi.de |
Email: | mail@maqi.de |