Tatsache ist, daß die Abschaffung des Eikonsums und damit der Gefangenhaltung, Mißhandlung und Tötung der Hennen nicht über Nacht geschieht. Die Frage ist nun, ob das Verbot der Käfighaltung ein Schritt zur Abschaffung ist oder im Gegenteil nur eine Reform, die die Tierausbeutung fortschreibt. Wie also sieht die Realität für die Betroffenen aus?
1. Was verbessert sich?
Es ist anzunehmen, daß die Mißhandlung der direkt betroffenen Hennen etwas reduziert wird. Um wieviel, läßt sich nicht sagen, es entfallen in jedem Fall die engen Batteriekäfige und die schrägen Drahtgitterböden.
2. Was bleibt gleich?
Die Hennen leiden weiterhin, da die Legebatteriekäfige bei weitem nicht das einzige Problem sind, dann eben in Boden-, Volieren- und "Freiland"haltung, allein schon dadurch, daß es sich um Qualzüchtungen handelt, da das Dutzend Eier, das ein normales Huhn jedes Jahr zur Fortpflanzung legen würde, natürlich unrentabel ist. Unabhängig von der Anzahl der gefangengehaltenen Tiere bedeutet das für jede einzelne Henne Krankheiten durch das fast tägliche Eierlegen, etwa Osteopathien, da Kalzium zum Aufbau der Kalkschalen den Knochen entzogen wird. Hinzu kommen Kannibalismus und andere Technopathien durch die (auch in der "Freiland"haltung zur Rentabilität notwendige) Massentierhaltung, die die Bildung eines ertragbaren Sozialgefüges unmöglich macht.
Abermillionen männlicher Kücken (eben die Brüder der Legehennen) werden jährlich weiterhin vergast oder vermust.
Die Hennen werden weiterhin nach einem Jahr, wenn die Legeleistung nachläßt, umgebracht, sofern sie nicht bereits vorher durch die quälende Haltung oder Kannibalismus umgekommen und in den Mülltonnen (die Abbildung stammt aus einer Bodenhaltung) gelandet sind.
Tier"schützer" werden all das vermutlich als "Sieg" feiern und den Legebatteriebesitzern danken, weil sie jetzt die Hennen in Boden- oder Volierenhaltung ein Jahr lang mißhandeln, ehe sie sie umbringen, und so den Verbrauchern den Konsum dieser Tierqual- und Tötungsprodukte ohne Gewissensbisse erleichtern. Vor einigen Jahren sammelte eine große "Tierschutz"organisation Spenden ausdrücklich zu dem Zweck, sie einem Legebatteriebetreiber zukommen zu lassen, damit dieser auf eine "alternative Haltungsform" umstellen könne.
3. Was verschlechtert sich?
Da die "Produktion" in den Legebatterien pro Huhn größer ist als in "alternativen Haltungsformen", der Eierverbrauch insgesamt aber nicht sinkt, werden mehr Tiere "verbraucht", um den vermeintlichen Bedarf zu decken. Faustregel ist, ein Huhn legt ein Ei pro Tag. Das ist aber nicht exakt: bei Käfighaltung sind es 310 pro Jahr, bei "alternativer Haltung" reduziert sich dies auf bis zu 260. D.h., für ein Ei wird je nach Haltung ein Huhn 365/310·24=28 Stunden bzw. 365/260·24=34 Stunden mißhandelt (allein was die "Jahreslegeleistung" angeht), also ein Fünftel länger. Das wiederum heißt, daß zur Aufrechterhaltung der bestehenden Eierproduktion der jetzt 40 Millionen Batteriehennen bis zu 40·310/26=47,7 (oder über 7 Millionen Hennen mehr) mißhandelt werden, womit also pro Jahr mehr als 15 Millionen Hühner (eben diese Hennen sowie die entsprechenden männlichen Kücken) zusätzlich umgebracht würden.
Hinzu kommen offenbar die größeren Eiverluste (durch "Verschmutzung") und möglicherweise die noch höhere Todesrate der Tiere durch Technopathien (wie Kannibalismus), Ansteckung etc.
Die Verbraucher werden das Fressen von Legebatterieeiern (während der zu erwartenden Übergangsfrist ebenso wie danach, wenn - Schweizer Verhältnisse zugrundegelegt - 50% Käfigeier importiert werden), zumal "versteckten" Eiern in Nudeln, Kuchen usw., damit rechtfertigen, daß Käfighaltung ja verboten sei, so wie sie das jetzt schon ähnlich tun (an Infoständen und bei Auslegeaktionen auf ihren Eikonsum angesprochen, antworten sie mehrheitlich wahrheitswidrig, sie äßen nur Eier "von glücklichen Hühnern").
Jeglicher Kritik wie dieser oder auch zukünftiger Kritik an anderen Haltungsformen werden die Tierqualpropagandisten das Strohmannargument "Ihr wollt also Käfighaltung" entgegenschleudern.
4. Was ändert sich sonst?
Die Betreiber haben durch die Umstellung Kosten, diese werden jedoch auf a) die Verbraucher und b) durch Subventionierung (das Verbraucherministerium spricht in einer Pressemitteilung vom 20. August d.J. in diesem Zusammenhang von "vorgesehenen Investitionsförderungen") auch auf Veganer, die Steuern zahlen, umgelegt. Wenig überzeugend ist angesichts dieser Tatsachen die Aussage Künasts, "Kommerz und private Interessen dürften nicht über dem Wohl von Tieren" stehen. "Am Freitag hätten sich Bund und Länder geeinigt, Käfighaltung und andere tierquälende Haltungsarten nicht mehr zu fördern." (taz vom 2.7.2001). Denn die Investitionsförderung bezieht sich nicht etwa auf eine Umstellung auf vegane Produkte, sondern natürlich auf andere per se "tierquälende Haltungsarten".
Weiterhin bleibt zu bedenken, daß, selbst wenn "Freiland"haltung (die nichts mit den verklärten Illusionen von "glücklichen Hühnern" zu tun hat) akzeptabel wäre, das Gros der Eier statt in Käfig- eben in Boden- oder Volierenhaltung produziert würde: Die neue Verordnung sehe keineswegs für alle Hennen Freilandhaltung vor, so Ursula Horzetzky, die Sprecherin der Verbraucherschutzministerin, erlaubt sei auch eine Haltung in großen Käfigen, sogenannten Volieren, und die Bodenhaltung, die weiter in Ställen möglich sei (taz vom 17.8.2001). Die Abbildung zeigt einen solchen "Stall" - also Bodenhaltung, die dann die Regel sein wird - und rückt damit die verbrämten Vorstellungen, die immer noch manche Ahnungslose von derartigen Einrichtungen haben, zurecht. Hier besteht offenkundig ein enormer Aufklärungsbedarf. All die Schreibtischtäter, die von solchen "Alternativen" schwärmen, weil sie glauben, daß die Tiere dort laufen und flattern und im "Nest" Eier ablegen können, sollten einmal in eine Bodenhaltung gehen, durch das Meer aus durch diese großartige Alternative halbverrückten Hühnern waten, Hühnern, die eben nicht laufen können, weil sie eingezwängt sind wie in einer U-Bahn zur Rushhour - ihr Leben lang, die nicht flattern können, weil jedes Flattern eine Massenpanik auslöst, und die nicht ohne Grund ihre Eier fallen lassen, wo sie gerade stehen.
Transponieren wir die Fragestellung in eine Sklavenhaltergesellschaft: Sklavenschützer wollen eine Verbesserung für die Rudersklaven - mehr Platz, so daß sie während der vierstündigen täglichen Ruhezeit liegend statt sitzend schlafen könnten. Konsequenz: größere Galeeren, mehr Rudersklaven werden zur Fortbewegung benötigt und demnach gejagt und gefangen (viele dabei getötet) oder gezüchtet. Wäre das damit zu rechtfertigen, daß die Sklaven sich dann etwas mehr ausstrecken können, während sie weiter täglich zwanzig Stunden leiden durch das Rudern, die Ketten, die Peitschenhiebe, die Unmöglichkeit sozialer Bindungen, das Sklavesein selbst?
Zur Verdeutlichung ein Gedankenexperiment: Wir gehen in eine Legebatterie mit Käfighaltung, nehmen 12 Hennen aus den Käfigen, transportieren sie in eine Legebatterie mit Bodenhaltung und setzen sie dort hinein. Wäre dies gutzuheißen? Anderes Gedankenexperiment: Im Politmagazin "Ländersache" war kürzlich ein Legebatteriebesitzer, der gleichzeitig eine "Freiland"haltung mit tausenden ebenfalls fast nackten Hennen betreibt, zu sehen. Wir nehmen 12 Hennen aus seinen Käfigen und setzen sie zu seinen "Freiland"hennen. Wäre dies gutzuheißen? Genau das, nur in größerem Maßstab, bedeutet aber die Ersetzung der Käfighaltung durch "alternative Haltungsformen".
Fazit
Wie diese Analyse zeigt, bedeutet das Verbot der Käfighaltung keineswegs die Abschaffung der Ausbeutung und Tötung der Hennen und männlichen Kücken zur Eiergewinnung, sondern im Gegenteil eine Sanktion der Ausbeutung (wenn auch mit teilweise geänderten Mitteln).
Für etwa die Hälfte der in Deutschland von Eierfressern betroffene Tiere brächte es eine gewisse Erleichterung, jedoch mehr nicht, sie werden dafür weiterhin mißhandelt und umgebracht. Für die andere Hälfte bleibt alles beim alten - sie werden an ihrem ersten Lebenstag vergast oder vermust. Hinzu kommen zusätzliche Tiere, die ansonsten gar nicht existiert hätten (und somit auch nicht leiden und sterben müßten). Für die Tierrechte insgesamt (und damit alle betroffenen Tiere) bedeutet es in jedem Fall einen schwereren Stand.
All das kann wiederum nur eines bedeuten: Tierrechtler können sich niemals mit Reformen, die Tiernutzung weiter festschreiben, einverstanden erklären, sondern müssen sich klar für die Abschaffung jeglicher Tiernutzung aussprechen.
erschienen in "Tierbefreiung - das aktuelle Tierrechtsmagazin", September 2001
Nachtrag (Dezember 2004): Zur Zeit der Entstehung des Artikels wurde davon ausgegangen, daß der Wegfall der Käfige für die betroffenen Individuen - unabhängig von den damit verbundenen Nachteilen - ein gewisse Erleichterung bedeuten könnte. Wie sich mittlerweile gezeigt hat, ist nicht einmal das der Fall, vielmehr ist klar geworden, daß der Wegfall der engen Käfige durch die so entstehenden Gruppengrößen und die damit verbundenen sozialen Konflikte zumindest aufgewogen wird. Dies geht so weit, daß die Todesrate etwa durch Kannibalismus in sogenannten "alternativen Haltungsformen" sogar höher ist (vgl. dazu auch "15 Hühner aus Legebatterie und Bodenhaltung befreit"). Eine explizite oder implizite Forderung nach Boden-, Freilandhaltung usw. ist demnach in jedem Fall mehr als zynisch und inakzeptabel. Weitere Bildbeispiele sind im Maqi-Bildarchiv zu finden.
Autor: | Achim Stößer |
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