Die vorgeschobenen Gründe -- "Bildungsauftrag", "Artenschutz" oder gar "Krebsvorsorge" -- sind leicht zu widerlegen.
Achim Stößer
Maqi -- für Tierrechte, gegen Speziesismus
(unveröffentlicht)
Von Klaudia Ermlich
Karlsruhe. Verwunderte oder entsetzte Reaktionen kann die Karlsruher Zooleiterin, Dr. Gisela von Hegel, nicht nachvollziehen: "Wie Berufsjäger müssen wir Tiere auslösen, die den Bestand gefährden." 'Gefährden' beginnt bereits dann, wenn eine Herde zu groß ist und Platzkämpfe anfangen. Das trifft besonders auf die geburtenfreudigen Huftiere zu. "Dann werden die Schwächsten bedroht - permanenter Stress, der gegen das Tierschutzgesetz ist."
Für die Überpopulation ist der Zoo selberverantwortlich, findet Evelyn Fleig, Vorstandsmitglied der Karlsruher Arbeitsgruppe gegen Tierversuche und Menschen für Tierrechte: "Man züchtet süße Jungtiere zum Vorzeigen, die später überflüssig sind! Mit Kastration wäre das Problem gelöst." Das widerspricht für von Hegel dem Bildungsauftrag des Zoos, der dem Besucher die Natur in allen ihren Facetten nahe bringen möchte.
Auf Empfängnisverhütung hat die Zooleiterin in der Vergangenheit gesetzt, die sich als für die Tierwelt untauglich erwies:
"Das führt in einer sozial intakten Gruppe zwangsläufig zu Instabilitäten. Beispielsweise, wenn das Weibchen Hormone verabreicht bekommt und daher ständig signalisiert, es sei empfängnisbereit. Das Ergebnis ist Krebs und Tod."
Findet sich kein Platz in einem anderen Zoo für die überzähligen Tiere, greift von Hegel zu Bolzenschussgerät oder Gewehr und setzt an zum Kopfschuss - "auch wenn es mir selber nicht leicht fällt." Nach dem "Himtod" wird das Tier ordnungsgemäß ausgeblutet. "Keiner schimpft, wenn woanders Tiere geschlachtet werden. Dabei entfällt bei uns sogar der lange, schmerzhafte Transport", erklärt von Hegel.
Diese darwinistische Form von Tierliebe im Karlsruher Zoo scheint das Publikum nicht zu stören. "Die Besucherzahl ist 1999 um zehn Prozent auf über eine Million gestiegen - obwohl wir nie verheimlicht haben, dass hier geboren und gestorben wird", argumentiert die Zooleiterin. Wir fragen unsere Leser: Wie urteilen Sie?
[Foto mit eingangs geschilderter Lamm-Szene. Bildunterschrift: Jungtiere als Publikumsmagneten und dann als Raubtierfutter - Karlsruher Tierschützer sind empört. Foto: clo]
(Boulevard Baden, 5. 3. 2000)
Die vorgeschobenen Gründe -- "Bildungsauftrag", "Artenschutz" oder gar "Krebsvorsorge" -- sind leicht zu widerlegen.
(Achim Stößer, Maqi - für Tierrechte, gegen Speziesismus)
Die tierlieben Mitmenschen,
die sich über das "Abschlachten" von Zootieren aufregen,
sind allesamt reine Vegetarier
und stechen auch niemals ihren
Garten um, denn dabei kommen zwangsläufig unsere
wurmförmigen Vorfahren zu
Schaden. Autofahren ist auch
verboten, denn dabei ereilt
hunderte von Mücken der Tod
auf dem Kühler und der Windschutzscheibe...
Mein Tipp an diese fanatischen
Tierliebhaber: bleibt artgerecht
zuhause und schont Eure Nerven und Euer Herz, tretet nicht
vor die Tür, denn dort könnte gerade eine Ameise vorbeilaufen.
Peter Krcmar, Dipl.-Biol,
Karlsruhe
Wer es mit seinem Gewissen
nicht vereinbaren kann, sich
auf Kosten anderen Lebens zu
ernähren, dem bleibt als Ausweg letztlich nur der Selbstmord, will er glaubwürdig sein.
Ein wenig Nachdenken über
den Kreislauf der Natur würde
also auch engagierten Tier
schützern gut anstehen. Mit
Scheuklappen durchs Leben zu
gehen, nützt also überhaupt
nichts, und jede Ideologie ist
nur die kürzeste Umgehungsstraße um das Gehirn.
Hanns Brauch, Karlsruhe
Also wer sich darüber aufregt,
dass die Löwen im Zoo die süssen kleinen Lämmer zu fressen
bekommen, sollte sich fragen
lassen, wieviele Kalbsbraten,
Spanferkel oder Osterlämmer
er in seinem Leben schon verputzt hat. Was für eine verlogene Welt!
Stefan Süberkrüb, Karlsruhe
Wer glaubt, dass man Tiere in
Zoos um ihrer selbst willen sauber, großräumig und, soweit
halt möglich, verhaltensgerecht
hält, der irrt sich gewaltig. Die
Lebensqualität der Zootiere
stieg wegen der sich wandelnden öffentlichen Meinung,
nicht etwa, weil Zooleute als
Tierfreunde von irgendwelchen
tier-ethischen Motiven getrieben werden. Die alte Mär, dass
Nachzuchterfolge ein Beweis
für tiergerechte Haltungsbedingungen seien, ist längst überholt, sind doch die meisten
Nachkommen das Ergebnis
von hypersexuellen Angriffen
der gelangweilten und deshalb
neurotischen Tiermännchen
oder aber mit Hormonspritzen
zustande gekommen.
So hat zum Beispiel der Karlsruher Zoo zumindest früher die
sexuelle Stimulans der Eisbären
mit der Spritze gesteigert.
Peter H. Arras, Geschäftsführer der Aktion konsequenter
Tierschutz, Karlsruhe
Was soll denn dieses ganze Gedöns um das Töten der Lämmer
im Zoo? Würde man die Schafe in den Schlachthof bringen,
würde kaum jemand Notiz davon nehmen, und wenn die Tiere zu wenig Platz haben, ist es
auch nicht tiergerecht.
Solange das Ganze nicht öffentlich und vor Kinderaugen
geschieht, ist dagegen doch
überhaupt nichts einzuwenden,
schließlich muss man auch realistisch bleiben und ein Schäfer führt ja seine genauso süßen
Lämmer auch zur Schlachtbank. Mittlerweile kommt es
schon soweit, daß irgendwann
das Tierrecht über dem Menschenrecht steht.
Anton Krämer, Karlsruhe
Der "Bildungsauftrag" von
Zoos ist ein Märchen. Was, bitte, sollen wir von den im Zoo
Eingekerkerten lernen? Natürliches Verhalten etwa, von Tieren, die durch ihre
Gefangenschaft psychisch krank sind?
Viele Kinder halten nicht nur
dank der Werbung Kühe für lila, sondern dank der immanenten Tierquälerei in Zoo und
Zirkus das Weben (monotones
Kopfschwenken) von Elefanten
und das sprichwörtliche auf- und abtigem von Großkatzen,
alles Zeichen von Psychosen,
für natürlich. Das einzige, was
sie im Zoo "lernen" können, ist,
dass es völlig akzeptabel ist, Unschuldige unter fadenscheinigen Vorwänden
lebenslang einzusperren, wenn sich damit nur Geld verdienen läßt.
Achim Stößer vom Verein[sic!] Maqi - für Tierrechte, gegen Speziesismus, Karlsruhe
In der Natur geschieht eine
natürliche Auslese durch natürliche Feinde und raue Lebensbedingungen. Ein Zoo
sollte doch auch so gut wie
möglich die natürlichen Bedingungen zeigen. Empfängnisverhütung für die Zootiere
ist nicht gerade natürlich. Ich
finde es daher durchaus in
Ordnung, überzählige Tiere
(natürlich keine, die in irgendeiner Weise des Artenschutzes
bedürfen) als Schlachttiere zu
betrachten.
I. Klukas, Karlsruhe
Es ist nur natürlich, dass Huftiere oftmals gebären. In freier
Wildbahn ist der Verlust durch
Riss von Raubtieren auch sehr
hoch, so dass die Huftiere sehr
fruchtbar sind, sein müssen.
Für ein normales Verhalten
innerhalb einer Herde kann es
nicht gut sein, eine Ansammlung von kastrierten bzw. hormonbehandelten Tieren zu
halten. Die Tiere werden verhältnismäßig artgerecht gehalten, was man von den sogenannten
Nutztieren nicht sagen kann. Ausserdem entfällt
ein weiterer Transport und das
"Schlachthoferlebnis"; beides
bedeutet großen Stress für die
Tiere. Was hier im Zoo praktiziert wird, halte ich für absolut human, sozusagen anständig
den Tieren gegenüber.
Heike Friedrich, Leopoldshafen
Wenn "nur" Nutztiere wie Kühe geschlachtet würden, wäre
das zu vertreten. Raubtiere müssen auch leben, sie sind Fleischfresser. In der Regel bleibt es
aber nicht bei Nutztieren. Da
werden auch "überzählige" Gazellen, Braunbären, Löwen und
Tiger beseitigt. Die Jungtiere
sind sehr niedlich, ein Publikumsmagnet. Das zieht! Doch
alle Tierbabys wachsen, dann ist
es mit der Anziehungskraft vorbei. Es lebe der Kommerz auf
Kosten der unschuldigen Tiere,
die dem Menschen auf Gedeih
und Verderb ausgeliefert sind.
Das ist doch ein super Bildungsauftrag, oder?
Sibylle Cowperthwaite, Stutensee
In welcher Welt lebt Frau von
Hegel eigentlich? Seit Jahrzehnten setzen wir Tierschützer
unsere ganze Kraft dafür ein,
den Massenmord an den Tieren,
der sich hauptsächlich hinter
den Kulissen abspielt, an die Öffentlichkeit zu zerren und deutlich zu machen, welch uner-
messlichen Verbrechens sich
die Menschheit durch den
Fleischkonsum schuldig macht.
Wahrscheinlich besteht der
Unterschied zwischen Frau Dr.
von Hegels "Streichelzoo" und
einem Schlachthof darin, dass
im Schlachthof kein Eintritt
verlangt wird!
Verena Kölmel, Karlsruhe
Einen kleinen Teil der Jungtiere behält man, um sie gegen "für
den Bildungsauftrag unbrauchbar" gewordene Alttiere auszutauschen. Das sind jene Tiere,
die durch die tödliche Langeweile in der Gefangenschaft
verblödet sind; Tiere, die nur
noch im Stall stehen und stundenlang sog. "Web- oder Schaukelbewegungen" mit dem Kopf
ausführen. Man kann es drehen
und wenden wie man will - es
ist nicht möglich, Wildtiere in
engen Gehegen auch nur einigermaßen artgerecht zu halten.
Einrichtungen wie der Karlsruher Zoo sind Gefängnisse, in
denen exotische Tiere zum Vergnügen der Menschen ausgestellt werden.
Ulrich Plohmann, Eggenstein
Hier stellt sich allerdings wieder
einmal die Frage, was Tierschützer eigentlich bezwecken.
Sollen hier unschuldige Lämmer
vor dem Opfertod bewahrt werden? Dann wäre auch zu überlegen, ob die Löwen nicht auf
vegetarische Kost umgestellt werden können. Dass heute immer
wieder Tierschutz und Tierliebe
verwechselt werden, zeigt, wie
weit sich der moderne Industriemensch schon von seinen
Wurzeln entfernt hat.
Simone Belgardt, Karlsruhe
Warum es zuviel Nachwuchs
gibt, wurde klar dargestellt.
Darum finde ich es richtig,
wenn überzählige Tiere geschlachtet werden. Wenn es
aber heißt, der Zoo habe zu
wenig Platz, dann frage ich
mich, warum weitet man die
Flächen nicht aus? Die Teilung
Zoo und Stadtgarten bei gleichem Eintrittspreis ist ja faktisch, auch nicht gegeben und
der Übergang von einem in
den anderen Bereich ist doch
fließend. Vielleicht ist es nur eine Frage des Nachdenkens,
wie man Tierfreunde und
Pflanzenfreunde anlagemäßig
zusammenbringen kann.
Helmut Lehmann, Karlsruhe
[Foto: Erwachsenes Flußpferd im Zoo. Bildunterschrift: Nicht alle Zoobewohner sind Vegetarier, um den Speisezettel der Raubtiere ist ein Streit entbrannt. Foto: clo]
(Boulevard Baden, 12. 3. 2000)
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